Der Münchner Soziologie-Professor Armin Nassehi warnt davor, dass die Unzufriedenheit der Bundesbürger mit den Corona-Maßnahmen wächst.
Die Menschen wünschten sich vor allem „Konsistenz“. „Egal, was gemacht wird, es soll bitte in sich schlüssig sein. Das kann man von den momentanen Maßnahmen nicht behaupten“, sagte der 60-Jährige im Handelsblatt-Interview. „Insofern wächst tatsächlich mit der Unsicherheit auch die Unzufriedenheit.“ Die „große Demütigung dieser Krise“ sei indes: „Man muss unter Bedingungen von Unsicherheit entscheiden und manche Kontroll-Illusion fahren lassen.“
Der aktuell zu beobachtende Protest von links bis rechts speise sich „sehr stark aus Eliten-Bashing. Dafür ist die Corona-Krise wie geschaffen“, so Nassehi, der wie viele Fachleute mittlerweile annimmt, dass die Maßnahmen gegen Corona noch mehr Opfer fordern werden als das Virus selbst. „Schon in unseren europäischen Nachbarländern ist die Situation ja teilweise prekär. Wir profitieren bislang von unseren Ressourcen: ökonomische Potenz, medizinische Versorgung und funktionierende Infrastruktur“, so Nassehi zum Handelsblatt. „Unsere Debatten über Kontaktbeschränkungen müssen für viele stärker betroffenen Länder wie Hohn klingen. Bei uns hier verschärft Corona Ungleichheitseffekte, wenn es etwa um Bildungschancen geht. Weltweit gesehen geht es da derzeit um viel mehr – Menschenleben und Infrastrukturen.“
Nassehi forscht und lehrt nicht nur – er berät auch. Der Top-Soziologe ist Mitglied der Expertenkommission von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.