Die Ermittlungen im Skandal um den früheren Dax-Konzern Wirecard weiten sich aus.
Die Staatsanwaltschaft München I führt nach Informationen des SPIEGEL mittlerweile mehr als 20 Beschuldigte, darunter der gesamte zuletzt amtierende Vorstand und etliche Führungskräfte. Die Vorwürfe reichen von Untreue und unrichtiger Darstellung über Marktmanipulation bis zu Geldwäsche sowie »gewerbsmäßigem Bandenbetrug«. Ex-Vorstandschef Markus Braun weist alle Vorwürfe zurück. Der Anwalt des flüchtigen Jan Marsalek möchte »gegenwärtig keine Erklärungen« abgeben, wie auch die Anwältin von Ex-Produktvorständin Susanne Steidl, die auf das laufende Verfahren verweist. Der Anwalt des ehemaligen Finanzvorstands Alexander von Knoop reagierte auf Anfrage nicht.
Ein wesentliches Element des Betrugsmodells war das Geschäft mit Drittpartnern, den sogenannten TPA. Sie wickelten im Ausland, dort, wo dem Konzern die Lizenz fehlte, angeblich Geschäfte für Wirecard ab und zahlten dem Konzern Vermittlerprovisionen. Zentral für das TPA-Geschäft waren jene Treuhandkonten, auf denen 1,9 Milliarden Euro Wirecard-Guthaben liegen sollten, die aber verschwanden oder nie existierten. Ausgerechnet der Wirtschaftsprüfer EY, der wegen seiner Rolle als Abschlussprüfer im Wirecard-Skandal in der Kritik steht, hat dieses Leck nach SPIEGEL-Informationen indirekt erst ermöglicht. Ursprünglich gab es diese Treuhandkonten nicht, die TPA-Firmen parkten die Einnahmen aus dem Geschäft mit Einzelhändlern bei ihren Hausbanken, erst gegen Ultimo überwiesen sie Wirecard die vereinbarten Provisionen. EY schien das Risiko zu groß, dass Wirecard leer ausgeht, sollte ein TPA-Partner zwischendurch pleitegehen oder die Überweisung verweigern. Die Prüfer regten an, das Problem zu lösen. Wirecard reagierte und führte mit dem Segen von EY jene Treuhandkonten ein, die später das Zentrum des Betrugs bildeten.